31.03.2017 - 14:32 Uhr
8
Flakon 7
Sillage 9
Haltbarkeit 8
Duft
Meggi 1019 Rezensionen
Meggi
Top Rezension 22
Zwei Teile
Rau, grün, kratzig, seifig, würzig, herb, floral, zitrisch, frisch. Und das alles auf einmal binnen weniger Sekunden. Luft holen, abwarten. Denn die Eindrücke finden zusammen, fügen sich zusammen. Rasch entsteht ein Ganzes, bei dem ich verblüfft bin, wie viele der Zutaten sich trotz eines runden und stimmigen Gesamtbilds gut einzeln herausriechen lassen.
Nach einer halben Stunde hat die Truppe sich schließlich zunächst auf eine erbsige Linie verständigt. Das mag seltsam klingen, doch es ist keineswegs negativ gemeint. Der Geruch einer frisch aufgepulten Zuckererbsen-Schote ist köstlich. Außerdem ist er natürlich nicht allein - die Kollegen mögen sich zwar zurückgenommen haben, bleiben allerdings unverzichtbar. Eine Spur Zimt-Süße und eine leichte Anmutung von Haarspray-Lavendel (womöglich passt Haarwasser besser, ich benutze derlei nicht) belegen beispielhaft den fortgesetzten Beitrag anderer.
So weit im Wesentlichen der erste Teil. Der zweite unterscheidet sich davon deutlich. Schon gegen Mittag macht der Duft eine völlig gewandelte Figur: Eine cremige Nadelbaum-Note (Balsamfichte…aha…) nebst süßem Halspastillen-Leder sind nun allmählich die dominierenden Bausteine und die ledrige Süße nimmt im Laufe des Nachmittags noch zu. Das Tollste ist, dass nichts daran klebrig ist. Im Gegenteil, geradezu luftig scheint sie sich emporzuwölben. Sie hat ihre grüne Seite auch nicht vergessen, lediglich in den Untergrund geschoben - dort freilich wirkt sie mit kräftig-moosigem Pinselstrich weiter mit. Der Duft hält locker bis in den Abend hinein. Gelungen.
Ich durfte – vielen Dank an Ergoproxy! – die Vintage-Version testen. Nach allem, was ich hier lese, verspüre ich keine Lust, vergleichenderweise die neue Fassung zu probieren.
17 Antworten
10.12.2017 - 13:54 Uhr
9
Flakon 8
Sillage 9
Haltbarkeit 9
Duft
Torfdoen 40 Rezensionen
Torfdoen
Top Rezension 23
Hausmeister-approved
Heute morgen, noch ganz benebelt von den auszehrenden Eskapaden des bis tief in die Nacht hinein praktizierten Parfümanalysierens. Ein Anruf kommt rein vom Hausmeister der Wohnanlage, die auch mich beherbergt und auf der ich gegen vierhundert Öcken im Monat ein bißchen Mädchen für alles spiele. Ich quäle mich zum Telefon, schaue aus dem Fenster. Scheiße: Winter-Wonderland. Das heißt: Schneeschippen, Streuen, die ganze Palette. Der Hausmeister ist ein lockerer Typ. Treffen in einer Stunde, ich soll mir erstmal einen Kaffee einwerfen.
Ich mache mich also zurecht, aber rausgehen ohne Parfümgenuß, das darf nicht. Ein noch jungfräulicher Mini kommt mir in den Sinn: Xeryus von Givenchy. Der Handrückentest fällt aufgrund der Handschuhe weg, also grob in Richtung Hals und Brustbereich geschleudert und Zack! Nochmal. Zackzack! Welch wunderbare Handkante. Ich bin voll da. Besser als Kaffee.
Wieder mal Edelseife, aber was für eine. Sauber und duschgelig (Jasmin, Lavendel), ein bißchen blumig, aber untendrunter von brodelnder Intensität. Eine dreckige, fast animalische Note lugt hier und da aus der Deckung hervor, kontert direkt dem lapidaren Opener. Wo das hingehen soll, bleibt erstmal unklar. Aber warum auch hetzen? Der Verlauf ist so ansprechend gestaltet durch das Widerspiel der hellen, sauberen Töne mit den dunkleren, rauen. Viele Facetten also auch hier wieder. Immer würzig und schön holzig mit sich allmählich einfahrender, leichten Brausesüße (ich schätze Wacholderbeere) auf sanftem Leder. Zypresse. Balsamfichte.
Ein Einzelnoten-Duftarsenal im Apothekerschränkchen wäre demnächst mal angebracht. Grün und Wald. Soviel ist sicher.
Beim Schneeschippen in seiner Komplexität etwas untergegangen, aber jetzt auf dem Handrücken zu voller Pracht gelangt, entfaltet der Duft eine beruhigende Wirkung, ähnlich eines bittersüßen Kräuterschaumbads. Wie so oft geht es aber immernoch tiefer. Moos federt sanft ab, wenn man der Wanne entsteigt und der Hirsch grinst von der benachbarten Lichtung herüber. Etwas Weihrauch für den lieben Gott (der versüßt sich den Sonntag ja bekanntlich auch gern). Das Werk ist vollbracht. Vintage vom Feinsten.
1 Antwort
14.06.2016 - 14:14 Uhr
9
Flakon 9
Sillage 9
Haltbarkeit 9
Duft
Minigolf 2299 Rezensionen
Minigolf
Sehr hilfreiche Rezension 9
Dichtgewebter grüner Teppich
Was einem da so alles begegnet auf dem Flohmarkt!!! Da gibt's Düfte, die es gar nicht mehr gibt. Ausser: Auf Flohmärkten. Ein schwarzer Flakon, undurchsichtiges Glas, mit einem Inhalt, den ich so noch nicht gerochen habe. Kräftig zitrisch- blumiger Auftakt, frisch und herbsüss. Dann kommt ein riesiger Kräuter- und Blumengarten, am Rande dichtgrüne Nadelgehölze, ein kleines Wäldchen schon. Dann kommt es noch grüner! Moospolster dick, weich, grün , einem Teppich gleich, die am Fusse von riesigen Tannen wachsen. Gleich nebenan ist ein Birkenhain, aus dem Saft der Bäume wird Birkenteer gewonnen, der "ledrig" duftet. Vetyvergras wurzelt unter den weissen Stämmen, und dessen Wurzeln geben einen frisch-erdigen Geruch ab. Die "Farbe" von Xerius ist kaleidoskopisch-grün, in allen Variationen, und der Duft ist nicht nur ein "Lied", um Vergleiche mit Musik zu ziehen, sondern eine ganze sinfonische Komposition. Sowohl in Dur als auch in Moll, da ist nichts dünn und nur zu erahnen, sondern voll tief tönend. "Xerius" wird zwar als Herrenparfum beschrieben, aber ich denke, dass niemand was dagegen hat, es auch an einer herben Frau zu riechen. Die Haltbarkeit ist überdurchschnittlich und die Sillage langanhaltend moderat. Und ich fühle mich in eine herrlich grüne Umgebung versetzt, in der alles dichtverwoben und satt ist.
5 Antworten
23.03.2013 - 16:05 Uhr
10
Duft
Bertel 236 Rezensionen
Bertel
Hilfreiche Rezension 10
Teil 2: Vintage
Taurus1967 hat den ersten Treffer erzielt und mir die Vorlage gegeben, daher setze ich zum zweiten an: ich habe die vintage-Version (Anfang 1990er) hier und berichte kurz hierüber.
"Xeryus" in dieser Formulierung öffnet mit einem herb-zitrischen Ton der mehr in Richtung Mandarine und Grapefruit geht, tiefer und fruchtig-saftig saurer als die oft gesehene Bergamotte-Zitrone-Note. Lavendel tritt hinzu, ebenso wie der klassische florale Akkord aus Maiglöckchen, Rose, Veilchen und Ylang-Ylang.
Dann dreht der Duft in die herb-dunkelgrüne, dicht Pinien-Zypressen-Tannen-Fichten-mäßige würzig-nadlige Ausrichtung, sehr kraftvoll aromatisch-herb und dunkel, von Gewürzen unterstützt, aber auch hier ist Wacholder deutlich wahrnehmbar. Wie wenn man Kopf und Nase ganz tief in eine gemischte Wacholder-Zypressen-Pinien-Hecke am Siedlungszaun steckt ;-) In Richtung Drydown verstärken sich dann die mehr holzigen Komponenten, zusammen mit Amber und Eichenmoos.
Sehr grün, herb, maskulin, ein wundervolles aromatisches Fougère. Ein komplexer, dichter, reichhaltiger, tiefer Duft der für mich lange diese Spielart des herb-maskulin-dunkelgrünen Genres definiert hat. Nicht laut brüllend, sondern breit, dicht, tief, mächtig. Für mich einer der ganz großen Düfte dieser Zeit.
2 Antworten
07.12.2012 - 15:22 Uhr
5
Flakon 5
Sillage 7.5
Haltbarkeit 6
Duft
Taurus 1094 Rezensionen
Taurus
Sehr hilfreiche Rezension 6
Gestatten: Xeryus aka Keryus
Wie? Noch kein Kommentar zu diesem vermeintlichen Klassiker? Das soll sich hiermit schnell ändern. Zudem kann ich dabei noch mal herrlich klugscheißen ;-)
Oder habt ihr gewusst, dass Xeryus ursprünglich als Keryus zur Welt kam?
Allerdings gab´s Ärger mit den Verantwortlichen von Yves Saint Laurent, die einige Jahre zuvor „Kouros“ lancierten und eine zu große Verwechslung befürchteten. Entsprechend machte man bei Givenchy schnell aus dem K ein X, so wie es auch im Altgriechischen ausgesprochen wird.
Bei Google findet man sogar noch einige Beweisfotos mit dem ursprünglichen hochattraktiven anthrazitfarbigen Flakon, der dann auch für Xeryus beibehalten und später auch von Xeryus Rouge passend in Rot beerbt wurde.
Etliche Jahre danach gabs Xeryus in einem länglichen, eleganten aber auch m. E. weitaus beliebigeren Flakon aus geeistem Glas.
Aktuell ist sein Äußeres an Belanglosigkeit kaum noch zu überbieten. Spätesten da muss er auch seine Reformulierung durchgemacht haben, denn auch inhaltlich hat sich einiges verändert.
So war Xeryus in den 80ern noch ein feiner, süßlicher Duft, dem durchaus ein Hauch von Eleganz umgab. Seine orientalischen Manieren mit dezentem Hang zum eher Lauten als Leisen konnte er nicht verbergen. Dabei vereinte er so viele Attribute zwischen blumig, holzig und würzig wie kaum ein anderer.
Teilweise schimmert da auch hervorragend die Balsamfichte durch.
Und ja: es ist in der Tat schwer ihn vom Ursprung her zu beschreiben, sonst hätte sich eventuell jemand daran versucht.
Aber nach der Reformulierung wirkt er nur noch süßlich plörrig platt und ist leider nur ein langer dunkler synthetischer Schatten seiner selbst. Die Raffinesse hat man ihm ordentlich abgeschliffen und seine damalige Eleganz zum Teufel gejagt. Dabei macht er zwar noch eine relativ ordentliche Figur – aber die Strahlkraft von damals ist definitiv perdu.
Und so wie es aussieht, macht er sich mittlerweile immer seltener im Verkaufsregal – und das resultiert garantiert nicht daraus, dass man ihn den Händlern aus lauter Verzückung aus den Händen reißt.
Da wird sein kleiner roter Bruder wohl mehr oder weniger weiter Karriere machen können.
Das ursprüngliche Xeryus samt Flakon hätte gut 90% verdient. Daran kommt das aktuelle Xeryus in keinster Weise ran ...
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